Mit der Fragestellung „Welcher Wert ist Dir in einer erlebnispädagogischen Aus- und Weiterbildung wichtiger?“ haben wir auf dem Internationalen Fachkongress „erleben und lernen“ 2018 die Teilnehmenden aufgefordert sich jeweils zwischen zwei Werten zu entscheiden. Ein Drittel aller Kongressbesucher haben sich beteiligt. Vielen Dank dafür! Hier kommt die Auswertung.
Ein plakatives Experiment, welches dazu veranlassen sollte, einen Einstieg in die Werteorientierung der Reflexion zu finden. Selbstverständlich kam es zu diversen Rückfragen bzw. Anmerkungen:
- „Soll ich nun bewerten, welchen Wert ich dort leben will – oder den Wert den die Anbieter in der Aus- und Weiterbildung unbedingt beachten sollen?“
- „Wieso soll ich mich auf einen Wert einigen, es sind doch beide wichtig!“
- „Die Werte stellen für mich keine Gegensatzpaare dar!“
Was dahinter steckt
Reflexion kann nur mit einer genau gesteckten Fragestellung zu einem gemeinsamen Verständnis führen. Die Fragestellung, die die Teilnehmenden auf mehr als eine Sichtweise interpretieren können, macht die Aussagen, die dazu getätigt werden bereits wieder schwammig oder unklar. Eine Sender-Empfänger-Problematik.
Friedemann Schulz von Thun sagt in seinem Modell des Wertequadrats: „Jeder Wert (jede Tugend, jedes Leitprinzip, jede menschliche Qualität) kann nur dann seine volle konstruktiven Wirkung entfalten, wenn er sich in ausgehaltener Spannung zu einem positiven Gegenwert, einer „Schwesterntugend” befindet. Ohne diese Balance verkommt ein Wert zu seiner entwerteten Übertreibung.“
Daher ist der Einwurf: „Mir sind aber doch beide Werte wichtig!“ ein sehr guter Ansatz weitere Erkenntnisse über die Theorie des Wertequadrats abzuleiten.
Das Riemann-Thomann-Modell bietet mit seinen Quadraten eine Möglichkeit, Werte den bestimmten Bedürfnissen-Paarungen zuzuordnen. Wie bei jedem Modell ist es ein Versuch, die Komplexität der Wirklichkeit zu reduzieren und dadurch die Dynamiken verständlicher zu machen.
Daraus ergeben sich u.E. Paarungen, die sich gegenüberstehen – oder zwei Seiten einer Medaille – der münzWERTE – ausmachen.
Die Auswertung der Umfrage
Augenscheinlich ist, dass die größten Ausschläge bei den Werten in den drei Quadranten Dauer-Nähe / Nähe-Wechsel / Wechsel-Distanz zu verzeichnen sind, während die Werte im Dauer-Distanz-Quadranten nur schwach ausgeprägt sind.
Die Werte sind jeweils rechts und links dem Pol zu sortiert, so sind Emotionalität, Flexibilität, Freiheit und Ideenreichtum Werte für den Wechselpol, manche tendieren mehr zur Nähe, mache mehr zur Distanz.
Wenn ein Heimatfeld mit nur einem Quadranten definiert werden müsste, wäre dies der Nähe-Wechsel-Quadrant.
Wäre die Auswertung mit dem von uns entwickelten reflexionsRAD erfolgt, würden die stark ausgeprägten Werte mit einem Holzwürfel an der aufgedruckten Skala orientiert weiter zum Rand der Scheibe gerückt worden. Es ergäbe sich eine Neigung, die durch die der Kugel gelagerten Holzplatte direkt angezeigt worden wäre.
Oder anders, wenn eine Linie durch den Mittelpunkt gezogen wird, um zwei Hälften zu trennen, ist der Schwerpunkt klar auf der „unteren“ Hälfte. Sprich: die Werte des Nähe und des Wechsel-Pols wurden stärker ausgewählt.
Dies sind die Werte, die bei einer Hopp oder Top-Entscheidung von den Teilnehmenden die meiste Zustimmung erhalten haben.
In Stressreaktionen handeln wir genau so! Es findet ein Rückzug in das Heimatfeld statt (vgl. Komfortzone). Uns sind die Werte dann viel wichtiger als die anderen, die uns meist den Stress bereiten.
Gut ist es, dann den Gegenpol – das sogenannte Schattenfeld – nicht außer Acht zu lassen.
Qualität und Ergebnisorientierung
Da auch wir als Erlebnispädagogen genau diese Werte der Nähe und des Wechsels meist ausgeprägter leben, haben wir damals mit dem Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik angefangen, diese Punkte in Augenschein zu nehmen:
Wie können wir in einer Aus- und Weiterbildung dennoch den Fokus auf Sicherheit und letztlich auch auf Kontrolle legen? Wie können wir einen positiven Ausgleich dazu schaffen, das die Erlebnispädagogik nicht nur die positive Vielfalt im kreativen Wechsel und vertrauensvollen Nähe-Feld lebt, sondern sich auch auszeichnen kann durch geprüfte Qualitätsansprüche, die wir nach Außen auch wahrnehmbar vertreten können?
Aus diesem Grund haben wir von KOMM.aktiv uns zunächst für die Gütesiegel „Mit Sicherheit pädagogisch!“ in den Programmen, apäter auch in der Aus- und Weiterbildung, engagiert und zertifizieren lassen.
Die Pole des Riemann-Thomann-Kreuzes können auch allgemeiner mit Ausrichtungen bezeichnet werden.
Bei aller Menschlichkeit und Innovation haben wir mit unseren Fachbüchern und Medien den Brückenschlag geschaffen, Qualität und Ergebnis- und Transfersicherung zu verbessern.
Wir hoffen, dir die Auswertung umfassend dargestellt zu haben.
Unsere Anregungen für dich:
- Reflektiere, ob du dreifach stimmig handelst: zu den Werten und Bedürfnissen
- von dir selbst
- von den Mitmenschen und
- zur aktuellen Situation
- Überlege, ob die Werte im positiven Spannungsverhältnis stehen und ausgewogen berücksichtigt sind.
- Nutze für die Dialoge mit Teilnehmer*innen und den Kolleg*innen die Reflexionsaktivierungen (Beispiele findest du in den Fachbüchern und unter reflexionstools)
- Und wenn du dein Wissen zu dem Thema in noch mehr Können verwandeln willst: du bist herzlich eingeladen, die Fortbildungen zum Thema Reflexion zu besuchen. Gerne kommen wir auch für eine Inhouseschulung in deine Einrichtung, um den Bereich Reflexionskompetenz zu stärken.